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Untertitel: was macht man nicht alles, wenn es Crossalps nicht mehr gibt (Anmerkung GSC-Hochries)

Nur ein Ziel: Ankommen!

Till GottbrathTill Gottbrath aus Huben im Priental nahm am zweiten Aprilwochenende am Red Bull Nordenskiöldloppet teil. Das mit 200 Kilometern längste Langlaufrennen der Welt geht auf eine historische Veranstaltung zurück und fand jetzt zum ersten Mal seit 1884 statt. 2016 gingen in Schweden knapp 400 Sportler aus 17 Nationen an den Start, die meisten Profis und Spitzenathleten, aber auch einige Hobbyläufer wie Gottbrath – aber alle mit dem Ziel, die unglaublich lange Strecke überhaupt zu schaffen.

 

Aschau/Jokkmokk – „Es herrschte eine ganz besondere Stimmung unter den Sportlern“, erzählt der 55-jährige Gottbrath, „denn niemand wusste vorher, wie schlimm es werden würde. Ich habe jeden gefragt, ob er schon mal eine solche Distanz zurückgelegt hat. Bei den meisten waren die 90 Kilometer des Vasalaufs das Maximum – so wie bei mir auch. Und ich muss zugeben, dass ich mir nach dem Vasalauf nicht vorstellen konnte, nochmals so weit zu laufen und noch 20 Kilometer obendrauf. Das ist bald so weit wie von Rosenheim nach Bozen.“

Der Chiemgauer hatte daher nur ein Ziel: ankommen! Um sich nicht vom Elan eines Rennens zu einem zu hohen Tempo verleiten zu lassen, richtete er sich streng nach seiner Pulsuhr. Mit 70 Prozent des Maximalpulses, so glaubte er, würde er das Ziel in den maximal erlaubten 26 Stunden und 20 Minuten erreichen können. „Das war dann ein so langsames Tempo, dass ich nach fünf Kilometern praktisch solo in der Loipe lief. Ich glaube, ich war Drittletzter. Da denkst du schon, ich könnte jetzt etwas schneller laufen, um nicht am Ende des Feldes herumzueiern. Aber ich wollte hinten raus auf keinen Fall eingehen. Auf 200 Kilometern hat man viel Zeit zum Überholen.“

Anstrengend wurde es auch so. Stück für Stück macht sich im ganzen Körper die Ermüdung breit. Erst die Oberarme, dann der untere Rücken, die Adduktoren. „Nach etwa einem Drittel der Strecke begann das Rennen so richtig“, berichtet Gottbrath. „Erst spürst du nur etwas, dann wird das Spüren zum Schmerz und der nimmt dann kontinuierlich zu. Ich habe mich gefühlt, als würde ich ein stählernes Korsett tragen, das einer mit jedem Kilometer eine Umdrehung enger stellt.“

Schnee wurde immer nasser und schwerer

Hinzu kam, dass die Temperaturen im Laufe des Tages deutlich in den Plus-Bereich stiegen. Die Loipe wurde immer nasser und die Ski begannen zu saugen. Die Läufer mussten gegen einen höheren Widerstand ankämpfen. Till Gottbrath: „Nach 140 Kilometern ging es ein langes Stück über einen See, den Purkijaure. Da stand das Wasser zum Teil drei oder vier Zentimeter hoch in der Loipe. Ich hatte bis zum Ziel klatschnasse Schuhe.“

Die letzten Kilometer vor dem Ziel in Jockkmokk führte die Strecke in Schleifen durch die Hügel des dortigen Langlaufgebiets. „Rauf, runter, rauf, runter, das war brutal. Du siehst in der Dunkelheit die Lichter von Jokkmokk, du hörst den Ansager im Ziel – aber du kommst und kommst einfach nicht näher.“ Nach 18 Stunden und 18 Minuten, kurz nach Mitternacht, erreichte Gottbrath schließlich das Ziel, über zehn Stunden nach dem Sieger John Kristian Dahl, der 2016 auch den Vasalauf gewann. Aber das stört den Chiemgauer nicht: „Es ist ein tolles Gefühl, etwas zu schaffen, von dem man nicht weiß, ob man dazu überhaupt in der Lage ist. Ich bin zwar absolut platt, aber vor allem stolz und zufrieden.“ Ob er sich vorstellen könne, nochmals zu starten? Gottbrath lacht: „Da will ich mich nicht festlegen. Jetzt freue ich mich erst mal auf den Sommer in den Bergen bei uns.“